von Lorenz Glatz sen
Wo ein Motiv ist, liegt eine Tat nicht fern. Der frühere Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung analysiert die Schwierigkeiten, Klimaziele zu erreichen. „Die Wirtschaft“ muss rentabel sein, Profite abwerfen oder in der Konkurrenz unterliegen. Wer CO2-neutral wirtschaften will, ist weniger rentabel, und das macht dem Profit grundlegende Schwierigkeiten. Auf diese reagiert das Kapital mit Abwanderung und die Staaten mit „Zurückhaltung“ in der Politik. Die gegenwärtige Wirtschaftsordnung steht der Klimakrise also recht ratlos gegenüber.
Wovon Fürst nicht schreibt: Solidarisches Wirtschaften ist anders. Es bemisst sich an guter Versorgung, an einem „Guten Leben für alle“, nicht am Profit. Dahin müssen wir gelangen – oder es kommt mit der Klimakatastrophe eine der Menschheit.
Der Green Deal der EU: Augen zu und durch!
von Erhard Fürst
Wiener Zeitung 5.2.2020
Die EU-Kommission will im Rahmen ihres Green Deals die EU-Staaten dazu bringen, ihre ohnehin im internationalen Vergleich überaus ambitionierten Klimaziele für 2030 nochmals nachzuschärfen und Europa bis 2050 CO2 -neutral zu gestalten. Und das, obwohl heute bereits klar ist, dass die größten Emittenten, China und die USA, zumindest bis 2030 ihre Treibhausgasemissionen weiter erhöhen werden. Ein ernstes Risiko des Green Deals besteht darin, dass dadurch die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Unternehmen geschwächt wird und es zu Verlagerungen in Drittländer kommt. Der Fachausdruck für diesen Prozess lautet „Carbon Leakage“ und bedeutet, dass europäische Unternehmen – bei gegebener Technologe – für ihre Emissionen stetig höhere Aufwendungen in Form eines CO2 -Preises oder einer CO2 -Steuer leisten müssen und daher mit ihren europäischen Produktionsstätten samt Emissionen das Weite suchen. Für das Weltklima ist es (weitgehend) unerheblich, wo die Treibhausgase entstehen, wobei Europa bekanntlich mit seinem kaum 10-prozentigen Anteil ohnehin nur ein kleines Rädchen dreht. „Carbon Leakage“ führt auch dazu, dass die Produkte anderswo mit höherer Klimabelastung erzeugt werden. Unter Ökonomen ist unbestritten, dass die wirksamste Maßnahme gegen den Klimawandel eine zunehmende Bepreisung von CO2 ist – vorausgesetzt allerdings, alle großen Emittentenländer führen sie ein. Und davon sind wir meilenweit entfernt.
Nun scheint es eine ganz einfache Vorkehrung gegen „Carbon Leakage“ zu geben: Die EU schlägt auf Importe aus Ländern ohne vergleichbare CO2 -Bepreisung Zölle in einer Höhe auf, die die zusätzliche Belastung von EU-Unternehmen ausgleichen. Dabei stellen sich allerdings drei Probleme: ein rechtliches, ein politisches und ein praktisches. Kann ein mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) kompatibles Zollregime gefunden werden? Und selbst wenn ja, werden sich Länder wie China und die USA – Letztere sind gerade dabei, die WTO zu demontieren – ein solches Vorgehen der EU gefallen lassen oder mit Sanktionen zurückschlagen? Und in der Praxis der meist mehrere Länder umfassenden Lieferketten (man denke an ein Handy) wird es nicht leicht sein, die effektive CO2 -Belastung durch ein Produkt einvernehmlich festzustellen. Jedenfalls besteht ein erhebliches Risiko von Handelskriegen und Wachstums- und Beschäftigungsverlusten.
Der Ökonom Alexander Krenek hat kürzlich im Rahmen der „Policy Brief“-Reihe der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik einen interessanten Beitrag zu diesem Thema veröffentlicht und ein möglicherweise WTO-konformes Ausgleichszollregime vorgeschlagen, aber auch auf die damit verbundenen Risiken hingewiesen. Der Green Deal der EU ist leider nach dem Motto „Augen zu und durch!“ angelegt, unflexibel und ohne Plan B für den Fall, dass sich die internationalen Rahmenbedingungen anders als erhofft entwickeln, die Aktion aus dem Ruder läuft, die Kompensationszölle sich nicht durchsetzen lassen und es zu einer massiven Verlagerung von europäischen CO2 -intensiven Unternehmen in Drittländer kommt.