„Seit Jahren haben die indischen Bäuer*innen die vielleicht am besten organisierte emanzipatorische Bewegung der Welt“ (Julia Bar-Tal, Via Campesina Deutschland)
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Seit 30 Jahren verfolgen die wechselnden indischen Regierungen einen Kurs der Deregulierung der indischen Landwirtschaft. Der Widerstand der indischen Bäuer*innenorganisationen und ihr Kampf um die Ernährungssouveränität der Bevölkerung nimmt jedoch zu. Zehntausende blockieren Ende Jänner 2021 die Zufahrtsstraßen zur indischen Hauptstadt Neu Dehli. In erster Linie geht es gegen eine Reihe von Gesetzesreformen, die den ohnehin gebeutelten indischen Landwirtschaftssektor, den zweitgrößten Agrarsektor der Welt, dem globalen Kapital gefügig machen sollen. Auch heute wird schon auf vielen indischen Bauernhöfen schon lange nicht mehr für den lokalen Bedarf, sondern für den Weltmarkt produziert – beispielsweise Tomaten für Ketchup oder Kartoffeln für Chips.
Die rapide wachsende fossile Industrie (Erdöl, Gas, Kohle) hat das Land inzwischen auf vordere Ränge der weltweit größten Netto-Treibhausgasemittenten katapultiert. Das fossile Kapital expandiert nunmehr auf der Suche nach lukrativen Investitionsmöglichkeiten in den Agrarsektor und drängt auf dessen weitere Öffnung.
Der voranschreitende Klimawandel beschert Indien regelmäßig Dürren, Stürme, die in der Mittelmeerregion entstehen und in Indien zu Kältewellen und Überschwemmungen führen, und im Vorjahr auch die schlimmste Heuschreckenplage seit über 30 Jahren. Die Bäur*innen stehen vor wachsenden Schuldenbergen, in den vergangenen Jahren begingen Zehntausende Suizid.
Hunderttausende Bäuer*innen marschierten am 26. Januar, dem indischen Nationalfeiertag, ins Zentrum von Neu-Delhi, es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei und zahlreichen Verletzten. Zwei der über 50 Gewerkschaften, die an der Organisation beteiligt waren, zogen sich daraufhin aus der Leitung des Protestbündnisses zurück. Doch schon für den 30.1.2021 sind weitere Protestaktionen und landesweite Hungerstreiks geplant.
Unterstützung erhalten die Bäuer:innen auch aus der wachsenden indischen Umwelt- und Klimabewegung. In einem offenen Brief stellten sich 38 Umweltgruppen an ihre Seite und schlossen sich den Demonstrationen an. Für Shikhar Agarwal, der in Mumbai den indischen Ableger von Extinction Rebellion mitgegründet hat, eine Selbstverständlichkeit: „Letztendlich haben wir das gleiche Ziel: unseren Planeten gegen die Kapitalinteressen der wenigen zu verteidigen.“ Hannan Mollah, Chef der mächtigen Landwirtschaftsgewerkschaft AIKS, stellte klar: „Wir wollen die vollständige Rücknahme der Gesetze. Bis dahin kämpfen wir weiter.“