Gesellschaftliche Relevanz von Solawi

In Österreich gibt es derzeit rund
50 gemeinschaftsgetragene landwirtschaftliche Betriebe. Diese Betriebe produzieren
nicht für den Markt, sondern für eine konkrete Gruppe von Menschen.

Diese Menschen stellen die erforderlichen Produktionsmittel zur Verfügung, hauptsächlich indem sie die Kosten dafür übernehmen. Dafür gehört ihnen die Ernte. Diese Wirtschaftsweise ist hierzulande bekannt als GeLa (Gemeinsame bzw. gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft), SoLawi (Solidarische Landwirtschaft) oder CSA (Community Supported Agriculture), wobei diese Bezeichnungen auch den einzelnen Betrieb meinen können.

Abgesehen von der Qualität und der ökologischen Produktion der Erzeugnisse hat diese Wirtschaftsweise den Vorteil, dass sie ganz
ausgerichtet ist auf den konkreten Bedarf konkreter Menschen, die sich zusammentun, um diesen gemeinschaftlich zu decken.

Dafür steuert jeder in der Gruppe bei, wozu er nach Maßgabe der individuellen Möglichkeiten und der jeweiligen Organisationsform in der Lage ist: Geld, Fähigkeiten, Mitarbeit, Hilfsdienste, Geräte, Saatgut, selbst Grund bisweilen. Die „marktübliche“ klare Unterscheidung zwischen Konsumenten und Produzenten, die sich als „Tauschgegner“ (Max Weber) gegenüberstehen, entfällt hier. Weil gemeinschaftsgetragene Landwirtschaften auf persönlichen Vereinbarungen beruhen, können sie, sofern gewollt und vereinbart, auch all jenen Bedürfnissen der Mitwelt Rechnung tragen, welche Betriebe, die am Markt bestehen müssen, gezwungen sind auszublenden. Die Ausrichtung am konkreten realen Bedarf spannt nämlich ein ganz anderes Beziehungsfeld auf als ein Wirtschaften, das sich in erster Linie am Geldbedarf beziehungsweise an Kapitalinteressen orientiert, nämlich eines, das den Mitmenschen und die Mitwelt in ihrer Gesamtheit einschließen und wahrnehmen kann.

Erstens bietet sich daher die gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft als „enkeltaugliche“ Alternative zur industriellen Landwirtschaft an – mit allen Vorteilen und aller Rücksicht, die sie aufbringt, für unsere Mitwelt.

Zweitens bahnt sie den Weg für ein konkretes wirtschaftliches und soziales Mit- und Füreinander, das geeignet ist, das bestehende von der Logik des Geldes vorgegebene Gegeneinander abzulösen.

Drittens gibt es im Grunde keine erstrebenswerte Alternative für den Weg, auf dem die gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft die ersten Schritte schon gegangen ist. Denn dass es so nicht weitergehen kann und wird wie bisher ist mittlerweile (fast) jedem klar. Zu einem neuen postkapitalistischen Miteinander führen aber nur zwei Wege: der Weg der völligen staatlichen Kontrolle oder der Weg des Vertrauens – einander und sich selbst. Einen Vorgeschmack auf den Weg in die Autokratie haben wir während der letzten beiden Jahre bekommen. Den zweiten Weg gilt es zu entwickeln. Dazu will unsere Tagung beitragen.