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Boden für gutes Leben

aus: oekostrom.at

29. Oktober 2020: Lorenz Glatz war bis 2015 CTO (Technischer Direktor) bei Kabel Deutschland. Seitdem ist er unabhängiger Berater für Unternehmen und Startups in den Bereichen Internet und Kabel TV Industrie. Er ist studierter Physiker und war von Anfang an bei Gemeinsam Landwirtschaften (GeLa) Ochsenherz, einer solidarischen Landwirtschaft in Gänserndorf, wie auch bei der solidarischen Landwirtschaft Ouvertura in Moosbrunn aktiv. Letztes Jahr hat er die Munus Stiftung mitbegründet.

Was ist die Munus Stiftung und warum sind Sie Teil davon?
Die Munus Stiftung ist eine gemeinnützige Bundesstiftung. Sie stellt Boden für gemeinschaftliches Leben und Wirken zur Verfügung und entzieht ihn nachhaltig der Spekulation. Die Munus-Stiftung ist die Antwort auf eine Frage, die sich im Zuge der Entwicklung solidarischer Landwirtschaften gestellt hat. Ich war von Anfang an bei GeLa Ochsenherz involviert, also seit 2011 und ebenso bei Ouvertura seit 2014. Mich hat bei der solidarischen Landwirtschaft das Entkoppeln des Preises von der Menge der Produkte interessiert. Die Menschen schätzen ihren Mitgliedsbeitrag selbst ein und bei der Abholung bestimmen sie selbst, wieviel sie nehmen. Allgemeiner formuliert tragen Menschen bei, was sie können und bekommen was sie brauchen. Das klingt ungewöhnlich, fast utopisch, aber es funktioniert. Dieses Betreten von Neuland im Umgang miteinander, in der Art wie wir wirtschaften interessiert mich sehr.

„Die Munus Stiftung entzieht Boden nachhaltig der Spekulation.“

Wie kam es zur Gründung der Stiftung?
2014 hatten wir bei GeLa Ochsenherz das Thema, den Standort übersiedeln zu müssen. Das gepachtete Ackerland war in Bauland umgewidmet worden und wir mussten die Landwirtschaft zum Eigengrund unseres Bauern, Peter Laßnig, ein paar Kilometer weiter verlegen. Doch dort gab es nichts: Keinen Kanal, kein Wasser, keinen Strom, keine Betriebsgebäude. Wir mussten uns also etwas für die Finanzierung der Übersiedlung und den Aufbau der Infrastruktur überlegen. Aber das Jahresbudget ist nur für die reguläre Gemüseproduktion gedacht. So große Summen, wie wir für die Standortverlegung benötigt haben, konnten wir damit nicht finanzieren. Da ein Bankdarlehen im Widerspruch zu unseren Grundsätzen steht, haben wir damals als Vorstand des Vereins der Ernteteiler*innen, so nennen wir uns „Konsument*innen“, begonnen Geld von unseren Mitgliedern einzusammeln. Das Versprechen war: Wenn ihr, liebe Mitglieder, uns Geld gebt, dann werden wir damit errichtete Infrastruktur in Gemeinschaftseigentum überführen. Nur haben wir eigentlich gar nicht genau gewusst, wie man das macht, so ein Gemeinschaftseigentum.

Und wie macht man das?
Wir kamen dann drauf, dass es nicht so einfach ist, eine geeignete Form zu finden. Vereine, Genossenschaften und GmbHs lassen sich „umdrehen“ und das darin vermeintlich gesicherte Eigentum kann dann wieder privatisiert werden. Bei diesen Gesellschaftsformen ist das Gemeinschaftseigentum also nicht auf Dauer gesichert.
Wir haben viele Gespräche geführt und kamen so neben der solidarischen Landwirtschaft zu unserer zweiten Wurzel, dem Verein Rasenna, einer Gruppe von Menschen, die zur gleichen Zeit das Gleiche wollten. Nach einigen Gesprächen haben wir zueinander gefunden und das Thema gemeinnützige Bundesstiftung als gemeinsames Ziel entdeckt.

Ist der Begriff Stiftung nicht etwas heikel?
Ja, das haben wir auch bemerkt, dass Stiftungen in der Öffentlichkeit nicht unbedingt einen guten Ruf haben. Sie werden sehr oft mit großen Privatvermögen und Steuerreduktion in Verbindung gebracht. In Österreich muss man zwischen herkömmlichen Privatstiftungen und gemeinnnützigen Stiftungen wie beispielsweise den Bundesstiftungen unterscheiden. Hier kommen unterschiedliche Gesetze zur Anwendung. Eine Privatstiftung kann jeden privaten, eigennützigen Zweck erfüllen. Eine gemeinnützige Stiftung nach dem BStFG (Bundesstiftungs- und Fondsgesetz), wie die Munus Stiftung, dient ausschließlich der Erfüllung gemeinnütziger oder mildtätiger Aufgaben. Wir gehen in gewissem Sinne sogar noch einen Schritt weiter, da wir diejenigen, die das Stiftungseigentum nutzen, auch verpflichten sich im Aufsichtsrat der Stiftung zu beteiligen, also die Richtung der Munus Stiftung im Rahmen der Stiftungssatzung mitzugestalten. Eine gemeinnützige Stiftung für Boden verbunden mit dieser internen Mitbestimmung und Transparenz gab es unseres Wissens in dieser Form in Österreich vor uns noch nicht. Wahrscheinlich sind wir so etwas wie eine Bürgerstiftung, die es beispielsweise in Deutschland schon seit den 90er Jahren gibt.

Wer sind die Nutzer*innen des Stiftungseigentums?
Aktuell sind das zwei Vereine, und zwar der Verein GeLa Ochsenherz und der Verein Ouvertura. Die Stiftung besitzt Land, das diese beiden Vereine nutzen. Aktuell sind wir mit vier oder fünf weiteren Personen und Initiativen in Kontakt, die überlegen zukünftig Boden, Gebäude und / oder Infastruktur zuzustiften, die dann gemeinschaftlich genutzt werden, abgesichert als Commons.

„Ich halte es für essentiell, eine emanzipatorische, kooperative Lebensweise zu fördern und zu führen.“

So eine Stiftung ins Leben zu rufen ist viel Arbeit. Sie machen das ehrenamtlich, warum?
Vielleicht weil meine Eltern 68er sind, und das ist dann das Ergebnis in der nächsten Generation. Nein, im Ernst, ich halte es für essentiell, eine emanzipatorische, kooperative Lebensweise zu fördern und zu führen. Ich möchte einmal im Leben zurückschauen und dabei sind mir zwei Sachen wichtig.
Erstens: Ich möchte grundlegende Infrastruktur mit aufgebaut haben, mich haben diese großen Projekte historisch immer fasziniert, und das habe ich gemacht: Ich war und bin Teil der Generation, die zum Aufbau von Breitband Internet in Österreich und Europa beigetragen hat, in meinem Fall konkret bei UPC und Kabel Deutschland.
Zweitens, und eigentlich noch wichtiger ist es mir etwas beizutragen, dass unsere Welt, um die es aktuell wirklich nicht gerade glorreich bestellt ist, etwas besser, ökologischer, solidarischer und emanzipatorischer wird. Ich wünsche mir einen achtsamen und ökologischen Umgang mit der Natur und einen solidarischen Umgang von uns Menschen miteinander, das ist mir ein ganz wichtiges Anliegen und die solidarische Landwirtschaft vereint viele dieser Punkte. Wie komme ich eigentlich zu meinem Essen, wie tun das die anderen Menschen um mich, unter welchen Bedingungen werden diese Lebensmittel produziert, was bedeutet das für die Umwelt? Das sind die Anknüpfungspunkte für mein Engagement bei solidarischen Landwirtschaften und insbesondere der Munus Stiftung.
Zentral ist aber natürlich, dass wir ein Team sind, die Arbeit verteilt sich also auf viele Schultern.

„Die Munus Stiftung ist ein Werkzeug, um Gemeingut zu schaffen und zu erhalten.“

Was ist sind Ihre Tätigkeiten als Stiftung?
Es sind drei Hauptthemen, die aktuell die Arbeit der Munus Stiftung ausmachen:
Zum Ersten möchten wir die Stiftung bekannter machen und die Idee und ihre Möglichkeiten unter die Leute bringen.
Zum Zweiten muss natürlich alles Formale umgesetzt werden: Buchhaltung, Verträge, Berichte, mit unserem Anwalt Gespräche führen etc.
Und zum dritten ist es ein Großteil der Arbeit, Gespräche mit Interessierten zu führen. Aktuell überlegen einige Bäuer*innen und Initiativen ihre Höfe in die Stiftung einzubringen, ebenso ein Kulturzentrum und ein kleineres Wohnprojekt.
Die Munus Stiftung ist ein Werkzeug, um Gemeingut zu schaffen und zu erhalten. Sie ist ein Werkzeug für Menschen, die ihr Eigentum nachhaltig einem ökologischen, solidarischen und / oder emanzipatorischem Zweck widmen wollen oder die Eigentum in dieser Weise nutzen wollen.
Durch unsere Entstehungsgeschichte haben wir eine Vielzahlt an Kontakten und merken, dass es für diesen Zugang großes Interesse gibt.
Aktuell sind wir sieben, acht Leute, die mit Initiativen reden. Wir überlegen immer gemeinsam, wie wir die Bedürfnisse aller in der Stiftung abbilden können.

Wie ist das mit Zustiftungen?
Nun, zunächst einmal gilt natürlich die Gründungserklärung, die Stiftungssatzung. Diese ist aber bewusst recht breit gefasst. Zustifter*innen können auch eigene, über die Gründungserklärung hinausgehende Bedingungen festlegen, solange diese den Stiftungszielen nicht widersprechen. Um ein konkretes Beispiel zu nennen, kann eine Zustifter*in festlegen, dass ein zugestifteter Hof auch in Zukunft ein Demeterhof bleiben muss.

Was ist eure Vision?
Unsere Vision ist die Munus Stiftung als Plattform und Werkzeug zu etablieren, um das Eigentum solidarischer, ökologischer und emanzipatorischer Projekte nachhaltig und von den handelnden Personen unabhängig abzusichern und zugleich den Vertreter*innen dieser Projekte die Steuerung der Stiftung zu überantworten.

Wenn ich mich nun für die Munus Stiftung interessiere ¬– was muss ich tun?
Man kann einfach ein E-Mail schicken an info@munus-stiftung.org und wir nehmen dann gerne Kontakt auf. Sie erzählen uns, was Sie bewegt und was Ihre Ziele sind. Wir hören zu und erzählen von der Stiftung – und dann schauen wir gemeinsam, wie das zusammenpasst.

Links:
https://munus-stiftung.org
https://www.ouvertura.at
https://www.ochsenherz.at/zugang-zu-land-land-in-sicht
https://www.youtube.com/watch?v=KwsjbkE8KaE
https://de.wikipedia.org/wiki/Bürgerstiftung
https://commons-institut.org/was-sind-commons

Ulla Unzeitig, geboren 1975, studierte Architektur in Wien und Stockholm. Seit 1995 publiziert sie in Fachmagazinen in den Themenbereichen Architektur, Bauphysik, Ökologie, gesellschaftlicher Wandel und universale Lebensentwürfe. Vor allem Interviews mit Expert*innen haben es ihr angetan, weil man „die alles fragen kann und die das hoffentlich wissen.“ Fährt Lastenrad, liest sich jährlich durch ca. 2 Meter Bücher, schreibt Öko-Fiktion, organisiert OPEN HOUSE WIEN. Sie lebt in Wien.