Ökonomische Notizen über solidarische Landwirtschaft – Teil 2: Investitionen, Eigentum & Menschliches

5. Finanzierung von größeren Investitionen

Die in Abschnitt zwei besprochenen Budgets decken die laufenden Kosten sowie kleine und mittlere Investitionen, doch große Aufwendungen sind damit in der Regel nicht zu stemmen. Wie also vorgehen, wenn eine große Investition notwendig wird? In der Historie „unserer“ Solawis waren diese Notwendigkeiten so unterschiedliche Dinge wie Teile der Infrastruktur von Neugründungen, die notwendig gewordene Übersiedlung einer Solawi an einen neuen Standort oder auch die Anschaffung eines neuen, leistungsfähigen Traktors.

Zur Bank zu gehen, um einen Kredit aufzunehmen passt ja nun so gar nicht zur bisher vorgestellten Vorgehensweise. Darüber hinaus würde es Abhängigkeiten erzeugen, die die Eigenständigkeit wie auch den wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich experimentellen Charakter unserer Solawis bedrohen.

Woher also das Geld nehmen? Natürlich in Kooperation mit den Hofteiler*innen. In der Praxis haben wir drei Formen erfolgreich erprobt: Crowdfunding / Spenden, Darlehen und Ernteanteilsvorauszahlungen. Doch der Reihe nach:

Crowdfunding / Spenden: In drei unterschiedlichen, zunehmend professioneller werdenden, Anläufen ist es gelungen für unterschiedliche Initiativen Geld einzusammeln. Zunächst Spenden als Teil eines größeren Projektes / Finanzierungsbedarfs von etwa 7.000€ von einer in Vergessenheit geratenen Zahl von Hofteiler*innen im Jahr 2014, etwa 9.500€ von etwa 100 Personen 2017, sowie etwa 17.000€ von 115 Menschen 2020. Diese Kampagnen wurden gerade in der Social Media Begleitung von Mal zu Mal professioneller.

Darlehen: 2014 nahm eine der Solawis etwa 55.000€ unbesicherte (!) Darlehen von 10 Hofteiler*innen auf. Zugesagt wurde die Rückzahlung plus Inflationsrate. In der Praxis waren die Hofteiler*innen bereit flexibel auf die finanziellen Möglichkeiten der Solawi zu reagieren und sowohl vorzeitige Rückzahlungen als auch Verschiebungen von Rückzahlungen problemlos zu akzeptieren.

Ernteanteilsvorauszahlungen (EAVZ): Bei EAVZ bezahlen Hofteiler*innen ihre Ernteanteile für ein oder idealerweise mehrere Jahr im voraus. Es ist also eine besondere, Solawi freundliche Form des Darlehens, da die Vorauszahlenden bereit sind mit den jährlichen Schwankungen bei Produktionsmengen oder im schlimmsten Fall auch Missernten, ihre in Naturalien erfolgende Rückzahlung entsprechend anzupassen.

Darüber hinaus stand es den Vorauszahlenden frei ihren jährlichen Beitrag, dem sich ändernden Durchschnittswert anzupassen, also in der Praxis aufzuzahlen, was die große Mehrheit der Vorauszahlenden auch getan hat.

Das Instrument der EAVZ wurde in unserem Umfeld zweimal angewandt: 2014 haben 29 Hofteiler*innen knapp 91.000€ voraus bezahlt und 2020 bei einer anderen Solawi 5 Hofteiler*innen 12.500€.

Die größte Summe, die eine unserer Solawis je aufgenommen hat, benötigte eine Mischung aller drei Formen und belief sich auf über 150.000€. Konkret waren die drei oben angeführten Finanzierungen aus 2014 alle für ein und dasselbe Projekt. Diese Aufnahme war verbunden mit der Zusage, das so gemeinsam finanzierte in Gemeinschaftseigentum umzuwandeln (mehr dazu im nächsten Abschnitt), eine Zusage die wesentlich zum großen Erfolg dieser Finanzierung beigetragen hat.

Die Darlehen und EAVZ anzunehmen ist das eine, aber was passiert denn eigentlich bei der Rückzahlung? Woher kommt das Geld dafür?

Dazu gehen wir zurück zu unserem Budget Beispiel aus Abschnitt zwei: Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass wir in Summe 10.000€ im Jahr an 10 Hofteiler*innen zurückzahlen müssen. Im Idealfall haben die Investitionen dazu geführt, dass unsere operativen Kosten (inklusive Einkommen der Produzierenden) gefallen sind. Die Investitionen haben also beispielsweise unsere laufenden jährlichen Kosten um 3.000€ reduziert. Um die 100 Ernteanteile zu produzieren, benötigen wir demnach also in Summe nicht mehr 100.000€, sondern nur noch 97.000€. Allerdings leisten 10 Hofteiler*innen dieses Jahr keinen neuen Beitrag, sie haben ja entweder schon vorausbezahlt oder bekommen ihren Beitrag als Darlehensrückzahlung zurück. Das bedeutet, dass die anderen 90 Hofteiler*innen nun die gesamten Produktionskosten von 97.000€ leisten müssen. ihr Durchschnitt steigt also von 1.000€ auf 97.000€ / 90 Hofteiler*innen = 1.078€ an.

Was ist hier passiert? Im Idealfall führen die Investitionen zu höherer Produktivität und damit geringeren Produktionskosten pro Ernteanteil. Die verbleibenden Belastungen / Rückzahlungskosten werden auf den Durchschnitt aller übrigen Hofteiler*innen verteilt. Wohlgemerkt, den Durchschnitt, nicht die individuellen Beiträge, diese bleiben natürlich selbst eingeschätzt.

Führen die Investitionen allerdings zu keiner höheren Produktivität, so erfolgt die Rückzahlung einzig durch eine durchschnittliche Mehrbelastung der Hofteiler*innen, die kein Darlehen / keine EAVZ gegeben haben.

Anders oder ohne Zahlen formuliert teilen sich im Idealfall die Produzierenden und die Hofteiler*innen den Mehraufwand der Rückzahlungen. Die einen durch höhere Produktivität, die anderen durch höhere Durchschnittswerte. Kommt es zu keiner Produktivitätssteigerung, übernehmen die Hofteiler*innen die Mehrkosten zur Gänze.

In der Praxis sehen die Zahlen und Verhältnisse natürlich ganz anders aus, zur Veranschaulichung sollte das Beispiel aber hoffentlich beitragen.

Was letztlich all diese Finanzierungsformen gemeinsam haben ist, dass damit in der einen oder anderen Form Eigentum geschaffen wird.

6. Wie ist das mit dem Eigentum?

Hier kommen wir an den Kern der marktwirtschaftlichen Produktionsweise: Das Privateigentum an den Produktionsmitteln. Und das gibt es natürlich in unserem kleinen Utopia ebenso. Zumindest teilweise. Denn wem gehören die gemeinschaftlich angeschafften Investitionen denn nun? Und falls sie Gemeinschaftseigentum sind, will und kann man eine spätere Reprivatisierung ausschliessen?

(Privateigentum an den Produktionsmitteln wird im Weiteren ausgeklammert – wie das funktioniert ist hinlänglich bekannt. Wir wollen also auf die Formen von Gemeinschaftseigentum fokussieren, die sich, die wir, entwickelt haben.)

Aus der Zusage der Schaffung von Gemeinschaftseigentum 2014 (siehe Abschnitt fünf) entstand nach langen Überlegungen, Recherchen, Vorbereitungen und einer guten Dosis Bürokratie eine gemeinnützige Bundesstiftung nach österreichischem Recht, die Munus Stiftung – Boden für gutes Leben, die aktuell das Eigentum an den Herzstücken zweier Solawis hält. Dies betrifft sowohl den Grund und Boden als in einem Fall auch das Betriebsgebäude.

Durch das spezielle Konstrukt der Stiftung und hier wiederum einige sehr konkrete und unveränderliche Bestimmungen ist dieses Eigentum damit für die Dauer unserer Rechtsordnung dem Markt entzogen und kann nur noch für ökologisch, solidarisch, emanzipatorische Zwecke verwendet werden.

Wie das funktioniert? Stiftungen sind ein eigentümliches Vehikel: Sie haben keinen Eigentümer. Ja, richtig gelesen, Stiftungen haben keinen Eigentümer, sie haben einen Zweck. Das Eigentum einer Stiftung muss diesem Zweck dienen und im Fall der Munus Stiftung ist dieser eben ökologisch, solidarisch und emanzipatorisch. Die Förderung von Projekten mit den Mitteln der Munus Stiftung unterliegt ebenso wie die Vermögensverwaltung diesen Regeln, diesem Zweck.

So weit so gut, doch wer bestimmt über die Geschicke der Stiftung? Diejenigen Initiativen, die mit dem Stiftungsgut arbeiten! Personen, die Eigentum zustiften, also der Stiftung schenken, können ab einem Grenzwert in den Aufsichtsrat der Stiftung einziehen, wenn sie das wollen. Die Initiativen, die Stiftungsgut nutzen, sind hingegen verpflichtet eine Vertreter*in in den Aufsichtsrat zu entsenden (darüber hinaus sind die Initiativen verpflichtet miteinander zu kooperieren.). Und es ist eben dieser Aufsichtsrat, der gemeinsam mit dem von ihm gewählten Vorstand alle wesentlichen Entscheidungen der Stiftung trifft.

Wir haben also zusammengefasst in der Munus Stiftung unveräußerbares Gemeinschaftseigentum, das von den Menschen verwaltet wird, die es ökologisch, solidarisch und emanzipatorisch nutzen und mit dem Stiftungseinkommen Projekte nach denselben Regeln fördern. – Es handelt sich um ein Common, eine Allmende.

Aber die Stiftung ist nur eine Form des Gemeinschaftseigentums, das entstanden ist, mit dem Alleinstellungsmerkmal, dass das Eigentum innerhalb unserer Rechtsordnung nicht mehr privatisiert werden kann.

Die zweite Form ist Gemeinschaftseigentum an Produktionsmitteln, hier vor allem Maschinen, Werkzeuge, Folien Tunnel und dergleichen mehr, die im Besitz von als Verein organisierten Solawis stehen. Dieses Eigentum gehört folglich allen Vereinsmitgliedern, den Produzierenden und den Hofteiler*innen, gemeinsam. Eine zukünftige Privatisierung ist damit mit entsprechenden Mehrheiten im Verein nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dem gegenüber steht jedoch ein höheres Maß an Flexibilität, da lokal und unabhängig innerhalb der Solawis über das Eigentum verfügt und bestimmt werden kann.

Die Teilung in Land / Gebäude als zentral und unveräußerbar in der Stiftung gehaltenes Eigentum, während Maschinen lokal in den Solawis gehalten werden, hat sich schrittweise und sehr pragmatisch herausgebildet.

Doch zurück zur Stiftung: Diese ist bewusst breit angelegt und weist weit über Solawis und ihre konkreten Bedürfnisse hinaus. Sie ist ein Werkzeug, ein Behälter, zur Absicherung aller Formen von Eigentum für ökologisch, solidarisch, emanzipatorische Projekte. Zuletzt wurde beispielsweise eine Eigentumswohnung zugestiftet, die für soziale Zwecke genutzt wird. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von fortgeschrittenen Gesprächen über Zustiftungen mit einer Vielzahl von Hintergründen: landwirtschaftlich, kulturell, Schutz von Grünland vor Bebauung, Wohnprojekte und noch einiges mehr.

Wie so oft ist all das keine reine Lehre. So gibt es Mischformen aus Privat- und Gemeinschaftseigentum: Aktuellstes Beispiel ist der Kauf eines Ackers, der von einer Solawi genutzt wird. Zum Kauf dieses Ackers hat die Stiftung etwa 11.000€ an Spenden von den Hofteiler*innen der betroffenen Solawi gesammelt und anschließend diesen Acker gemeinsam mit sieben Hofteiler*innen gekauft. Die Stiftung besitzt so nur einen kleinen Anteil am Acker, die privaten Eigentümer haben aber ihre Anteile langfristig der Stiftung verpachtet, die so als Instrument und zentraler Ansprechpartner für die Solawi dient und langfristige Verfügbarkeit des Landes durch Weiterverpachtung an diese gewährleisten kann.

7. Kooperation, Wachstum und die Sache mit der Konkurrenz

Nichts vom bisher Beschriebenen war oder ist ein geradliniger weg – auch bei uns „menschelt“ es an allen Ecken und Enden, treten inhaltliche und zwischenmenschliche Konflikte und Probleme auf, die manchmal besser und manchmal schlechter lösbar sind. Tatsache ist aber, dass aus der ersten österreichischen Solawi, die vor 10 Jahren begann und etwa 200 Ernteanteile produzierte direkt und unmittelbar gegenwärtig drei Solawis, mit in Summe etwa 500 Ernteanteilen, eine Stiftung und ein Solawi Netzwerk entstanden sind, von den vielen anderen österreichischen Solawis, die sich parallel und unabhängig davon entwickelt haben, die von uns und von denen wir gelernt haben, einmal ganz abgesehen.

Mit dem Aufkommen von mehr und mehr Solawis entsteht zugleich das Risiko von Konkurrenz untereinander, wenn die Solawis nicht gerade Teil des Kooperationsgebots der Munus Stiftung sind. Der Großraum von Wien hat etwa 2.5 Millionen Einwohner, da gibt es also viel unangetastetes Potential, dennoch birgt es die Gefahr sich gegenseitig Hofteiler*innen abspenstig zu machen, im schlimmsten Fall über die Höhe des Durchschnittswerts, der dann zu einem „Preis“ würde, zu konkurrieren – strategisch ist das eine große Gefahr.

Wie damit umgehen? Ein von uns gewählter Ansatz ist Komplementarität in der Produktion (beispielsweise Gemüse hier, Eier, Getreide, Pilze, verarbeitetes anderswo) und natürlich vor allem Kooperation miteinander.

Diese Kooperationen nehmen unterschiedliche Formen an. Ein bewährtes Mittel ist Zusammenarbeit bei der Verteilung der Lebensmittel, konkret bei den Lieferrouten, um die Verteilstandorte anzufahren. Hierbei kooperieren zwei Solawis ganz praktisch, indem sie jeweils einen Teil der Standorte für beide Solawis beliefern.

Ein weiteres Beispiel ist der Umgang mit Überschüssen, die über das hinausgehen, was die Hofteiler*innen beim besten Willen nicht mehr abnehmen, einkochen oder auf andere Art verwenden können. Hier bieten die Solawis diese Mengen zuerst einander an. Das kann im Idealfall kostenfrei per Abholung passieren, teilweise wird getauscht und gelegentlich wechseln die Überschüsse geldvermittelt die Solawis.

Wenn die Komplementarität es zulässt und / oder die eigene Solawi bereits alle Ernteanteile vergeben hat, unterstützen die Solawis untereinander bei der Suche nach weiteren Hofteiler*innen.

All das passiert zum einen direkt und unmittelbar zwischen einzelnen Solawis, zum anderen auf der Basis eines losen gemeinsamen Netzwerks der Solawis rund um Wien, die sich einige Male im Jahr zusammensetzen, um Kooperationen und gemeinsame Interessen zu besprechen.

In der täglichen Sorge um die Ernte der nächsten Woche, das kommende Schlechtwetter, den Umstand, dass sich noch keine Hofteiler*innen für den Dienst bei der freien Entnahme gemeldet haben und mehr, tritt das große gemeinsame Ganze manchmal in den Hintergrund. Doch auch hier ist Kooperation möglich und findet statt. Artikel, im Solawi Kontext, die über den Tellerrand der eigenen Tagesarbeit hinausgehen, unsere Vorstellungen erklären und über die Notwendigkeit einer anderen Lebensmittelproduktion und -verteilung aufklären, werden geteilt, scheinen auf der Seite des Solawi Netzwerks wie auch auf den einzelnen Solawi Seiten auf.

Eine weitere Form der Kooperation ergibt sich aus der Natur unseres Ansatzes: Zentrale Teile der hier beschriebenen Prozesse, wie etwa freie Entnahme oder Selbsteinschätzung der Beiträge werden erst durch den direkten Bezug der Menschen zueinander ermöglicht und stabil. Schliesslich fühlt sich jede/r von uns mit Menschen verbundener, die man zumindest ein wenig kennt.

Das zu betonen ist wichtig, denn die Versuchung liegt nahe, höheren Geldbedarf durch sogenannte Skaleneffekte, also effizientere Produktion größerer Mengen, und damit die Erhöhung der Anzahl der produzierten Ernteanteile zu kompensieren. Dadurch werden aber die Hofteiler*innen zueinander anonym(er) und die Kooperation innerhalb der Solawi, die Grundlage der hier ausgeführten Gedanken, fällt in dieser Anonymität eben wieder leichter vom persönlichen ins geldvermittelte zurück.

Überschaubare Größe und persönliche Beziehungen sind eine Voraussetzung für das Gelingen des Modells. Es ist wichtig kleinteilig zu bleiben – Solawis werden nicht größer, sondern mehr. Zumindest in der Theorie. Wie groß groß genug ist? Das ist keine exakte Wissenschaft und variiert mit anderen Faktoren der Solawis, wie beispielsweise ihren organisatorischen Strukturen, aber etwa 100 bis 150 Ernteanteile scheinen ein brauchbarer Richtwert zu sein.

Damit zurück zur Kooperation: Da das Wachstum von Solawis nicht beliebig innerhalb einer Solawi stattfinden, sondern durch neue, zusätzliche Solawis stattfinden sollte, ist die Bereitschaft neu Beginnenden zu helfen eine weitere Form der gelebten Kooperation. So kommen regelmäßig Menschen zu unseren Solawis, die Praktika machen, um ihre eigene Solawi zu gründen oder einfach nur um im Austausch dazu zu lernen.

Um es aber klar zu sagen: Die strukturierte Zusammenarbeit zwischen den Solawis ist momentan eine Schwach- bzw. Baustelle unseres kleinen Biotops. Hier experimentieren und probieren wir kontinuierlich und können und müssen wohl noch deutlich besser werden.

8. Zusammenspiel von Produzierenden und Hofteiler*innen

Das Zusammenspiel von Produzierenden und Hofteiler*innen ist in einer Solawi naheliegender weise eine kaum zu überschätzende Voraussetzung für ein gutes Gelingen. Die passende Balance zu finden und zu halten ist hingegen alles andere als trivial.

Es gibt deutlich mehr Hofteiler*innen als Produzierende. Ihr Engagement, ihre Motivation und wieviel Zeit sie einbringen wollen und können schwankt jedoch stark. Man könnte von Zwiebelschalen sprechen: Ganz außen sind jene Hofteiler*innen, die ihre Lebensmittel aus regionaler, biologischer Quelle ohne Ausbeutung der Produzierenden haben wollen, jedoch nicht drüber hinausgehen können oder wollen. Auf der nächsten Ebene sind jene, die zumindest gelegentlich Veranstaltungen ihrer Solawis besuchen, ganz gleich ob Saisonfeste, Jahresversammlungen oder andere. Noch stärker verbunden sind Menschen, die sich aktiv einbringen, beispielsweise bei regelmäßigen Sitzungen mitgestalten, die Verteilung der Lebensmittel betreuen oder die Beiträge leisten zu Organisation und Ablauf der Feste. Schließlich gibt es den engsten Kern der Hofteiler*innen, die Verantwortung übernehmen, sich um die Mitgliedergewinnung, die Finanzen, die Öffentlichkeitsarbeit und mehr kümmern und aktiv die Geschicke ihrer Solawi mitgestalten.

Die Produzierenden befinden sich in diesem Modell im Innersten. ihr zeitlicher Aufwand und Fokus sind naturgemäß grösser und geblockter, stehen sie doch in der Regel viele Stunden in der Woche am Feld und tun was nötig ist, um unser aller Lebensmittel zu produzieren. Durch die gemeinsame Arbeit entsteht eine eigene Gruppendynamik, die die Hofteiler*innen nicht notwendigerweise miteinschließt. Natürlich gibt es auch innerhalb der Produzierenden deutliche Unterschiede. Von Menschen für die es einfach „ein Job“ ist bis zu solchen, die für ihre Solawi oder auch für Solawis im allgemeinen brennen und deren tiefste innere Überzeugung es ist eine Solawi mitzugestalten, finden sich ähnlich wie bei den Hofteiler*innen große Unterschiede.

Interessanterweise finden sich bei den Produzierenden gelegentlich auch Menschen, die eigentlich mit dem Prinzip der Solawis nicht viel anfangen können, für die aber die Solawi dennoch ein vergleichsweise angenehmer Arbeitsplatz in der Landwirtschaft ist. Dass derartige Haltungen zu gröberen Konflikten führen, liegt nahe.

Ganz allgemein ist bei den Produzierenden die Schwelle die Solawi zu verlassen vergleichsweise höher, beispielsweise, wenn man selbst die Landwirt*in ist und gar nicht so leicht davon kommt oder sich erst einen neuen Job suchen muss. Bei den Hofteiler*innen tritt offene Opposition hingegen kaum auf. Desinteresse an den Prozessen ist das Maximum – bei inhaltlichen Differenzen verlängert man in letzter Konsequenz schlicht die Mitgliedschaft nicht.

Doch zurück zur eigenen Gruppendynamik der Produzierenden: Diese kann unter widrigen Umständen, im schlimmsten Fall verstärkt durch andere Zielsetzungen einzelner Beteiligter, dazu führen, dass ein „wir“ (die Produzierenden) gegen „die“ (die Hofteiler*innen) entsteht. Hier ist große Aufmerksamkeit aller Beteiligten gefordert und in der Praxis nicht immer leicht sicher zu stellen.

Diese Trennung wird durch die „Tauschgegnerschaft“ verstärkt: In marktwirtschaftlichem Zusammenhang, den wir von klein auf gelernt haben und in den wir in unseren Leben eingebettet sind, „wollen“ die Hofteiler*innen wenig zahlen und die Produzierenden viel verdienen. es ist also kein Zufall, dass es gerade an dieser Schnittstelle immer wieder hakt.

Dieses Dilemma kann vermieden oder zumindest abgemildert werden, wenn es gelingt die gemeinsame Versorgung aller Beteiligten in den Mittelpunkt zu stellen und damit mental aus dem Korsett der geldvermittelten Beziehungen zwischen uns Menschen auszubrechen. Die symbiotische und arbeitsteilige Zusammenarbeit zwischen Produzierenden und Hofteiler*innen und die vielfältigen Beiträge beider innerhalb einer Solawi sind etwas neues, über den marktwirtschaftlichen Zusammenhang hinausgehendes. Wir übernehmen gemeinsam Verantwortung dafür das elementarste unserer Bedürfnisse, Nahrung, solidarisch zu stillen.

In der Praxis zeigt sich, dass die Entstehungsgeschichte einer Solawi starken Einfluss auf das Entstehen solcher Konflikte haben dürfte: Wurde sie bereits als Solawi gegründet so ist die Wahrscheinlichkeit des Aufbrechens dieser Konfliktlinie geringer. Entstand sie beispielsweise aus einem Bauernhof oder einer Gärtnerei wirkt diese Geschichte nach und birgt Konfliktpotential, das noch mehr Acht- und Aufmerksamkeit benötigt.

Grundsätzlich auflösbar ist dieses Dilemma innerhalb der Geldwirtschaft aber nicht, es bedarf also kontinuierlicher Aufmerksamkeit. In vielerlei Hinsicht sind wir in unserem Denken noch in der alten Welt gefangen, während wir die neue bereits probieren.