Ökonomische Notizen über solidarische Landwirtschaft – Teil 1: Grundlegendes

Dieser Beitrag fasst praktische Erfahrungen aus gelungenen Versuchen, Fehlschlägen und Neuanfängen einiger solidarischer Landwirtschaften (Solawis) rund um Wien sowie des durch sie geschaffenen Umfelds während der letzten 10 Jahre zusammen.

0. Begriffe

Eine neue Form des Wirtschaftens verlangt nach neuen Begriffen, geht es doch darum Rollen und Aufgaben zu beschreiben, die es in dieser Form zuvor nicht gab. Zentral sind hier die Bezeichnungen für die in einer solidarischen Landwirtschaft direkt involvierten Menschen. Alle gemeinsam, also sowohl jene, die davon ihren Lebensunterhalt ganz oder teilweise bestreiten, wie auch jene, die hauptsächlich die Lebensmittel essen.

Alle teilen sich die Ernte, sie bekommen also einen Ernteanteil. Sie übernehmen zudem gemeinsam die Verantwortung für eine Landwirtschaft, einen Hof. wir nennen sie daher Ernteteiler*innen bzw. synonym Hofteiler*innen.

Genau genommen umfassen diese beiden Begriffe also alle Involvierten, sie werden in diesem Text jedoch verwendet, um eine Unterscheidung zwischen den produzierenden Landwirt*innen, ganz gleich ob angestellt oder selbstständig und unter Umständen auch Eigentümer*innen von Land und Maschinen, und den vorwiegend die Lebensmittel essenden Menschen zu beschreiben. Zusammengefasst unterscheiden wir in diesem Text also zwischen Produzierenden und Hofteiler*innen als den beiden im Kontext einer solidarischen Landwirtschaft symbiotischen Seiten derselben Medaille.

1. Einleitung

Solidarische Landwirtschaft(en) nahmen in Japan als Teikei ihren Ausgang und sind in den USA, wo sie Community Supported Agriculture (CSA) genannt werden, aber auch in den EU-Ländern, mittlerweile recht weit verbreitet. In Österreich gibt es sie seit etwa 10 Jahren.

Was sind diese liebevoll “Solawis” genannten Organisationen und vor allem wie funktionieren sie ökonomisch? Sind sie Teil der Marktwirtschaft wie etwa die Landwirte auf den Bauernmärkten, die Zulieferer für Biogeschäfte oder auch für Agrar- und Supermarkt Konzerne? Oder sind sie etwas Neues und weisen sie gar über die Marktwirtschaft hinaus?

Zunächst einmal sind sie der Versuch von Landwirt*innen die Groß- und Einzelhandelsketten zu umgehen und sich direkte Abnehmer, vornehmlich in den Städten, zu suchen, um gegen den immer erbarmungsloseren Konkurrenzdruck der von Großkonzernen und Supermarktketten als Abnehmern beherrschten industriellen Landwirtschaft, die maßgeblichen Anteil an der Zerstörung unser aller Lebensgrundlagen hat, zu bestehen.

Man könnte daher versucht sein Solawis eine Direktvermarktungsstrategie zu nennen. Doch das greift in nicht wenigen Fällen zu kurz. In mancherlei Hinsicht sind sie im Gegenteil eine Alternative zur Vermarktung, indem sich Produzent*innen und Konsument*innen langfristig enger verbinden, doch der Reihe nach.

Gerade die Opposition gegenüber der industriellen (auch Bio-) Landwirtschaft, bzw. der Versuch angesichts eines übermächtigen marktwirtschaftlich orientierten Gegenübers zu bestehen, öffnet die Tore zu weiterer Differenzierung und lockt damit Menschen an, die offen sind neue Wege zu gehen und sich grundsätzlicher mit der Art und Weise wie wir unsere Lebensmittel produzieren und verteilen, auseinandersetzen.

Einige dieser Differenzierungsmerkmale wie biologische Produktion, seltene Sorten, Regionalität, und kurze Wege oder günstigere CO2 Bilanzen sind mittlerweile auch im landwirtschaftlichen Mainstream angekommen und werden dort für eine betuchtere Klientel beworben und angeboten. Sie sind also Teil der industriellen (auch Bio-) Landwirtschaft geworden bzw. auf dem Wege dorthin.

Andere zentrale Merkmale zumindest eines Teils der solidarischen Landwirtschaft sind allerdings der industriellen Landwirtschaft verschlossen und öffnen Handlungsräume für erste Gehversuche emanzipatorischer Wirtschaftsformen: Gemeinschaftliches Eigentum aller Beteiligten an Boden und / oder Betriebsmitteln bzw. ihre Organisation als Commons, die direkte Verbindung von Produzent*innen und Konsument*innen oder eben Hofteileri*innen in Gemeinschaften, das Erschließen hochqualitativer Lebensmittel unabhängig vom Einkommen wie auch das teilweise aufbrechen der marktwirtschaftlichen Beziehung von Menge und Preis.

Generell ist die Landwirtschaft als Ausgangspunkt für erste Versuche einer Produktions- & Wirtschaftsweise jenseits der Marktwirtschaft besser geeignet als so gut wie alle anderen Wirtschaftszweige, da sie mit der Nahrung unser elementarstes Bedürfnis befriedigt und so mit einer Umstellung der Wirtschaftsweise in diesem Sektor ein Signal auch für andere Bereiche der Befriedigung unserer Bedürfnisse gesetzt wird.

Bevor wir tiefer ins Thema einsteigen sei noch einmal erinnert, dass der Fokus dieser Zeilen auf den ökonomischen Aspekten liegt. Dass solidarische Landwirtschaften über die (solidar-)wirtschaftliche Dimension hinaus grundsätzlich ökologisch, wahrhaft nachhaltig und biodiversitätsfördernd agieren und so neben der Erhaltung der natürlichen Ressourcen sogar einen Beitrag gegen Pandemien wie die gegenwärtige Covid Plage leisten, sollte dabei aber nie vergessen werden.

2. Ökonomische Grundlagen

Was ist denn nun eigentlich eine Landwirtschaft in unserem Kontext? Einheitlich ist das nicht. Das Spektrum reicht von klassischen Bauernhöfen, die von den Eigentümer*innen bewirtschaftet werden und mit Hofteiler*innen kooperieren bis hin zu Vereinen, in denen Produzierende und Hofteiler*innen gleichberechtigte Mitglieder sind und die über keine eigenen Flächen verfügen, sondern den Boden ausschließlich zupachten.

Und eine solidarische Landwirtschaft? Zentrales Merkmal solidarischer Landwirtschaften ist die Verpflichtung von Konsument*innen, im Weiteren nun endgültig Hofteiler*innen genannt, für einen bestimmten Zeitraum verbindlich die Produkte einer Landwirtschaft zu einem zuvor vereinbarten Beitrag abzunehmen. – das ist wichtig, also vielleicht noch einmal lesen, bevor es weiter geht..;-)

Der Zeitraum des Beitrages der Hofteiler*innen ist üblicherweise eine Saison, das ist in den meisten Fällen ein gesamtes Jahr. Bei uns hat sich dafür der Zeitraum von 1. Februar bis 31. Jänner des Folgejahres herauskristallisiert, da das mit dem natürlichen Kreislauf der Jahreszeiten und den notwendigen Arbeiten zusammenpasst.

Wenn aber jede Hofteiler*in einen zuvor vereinbarten Betrag für eine Saison bezahlt – wie kommt die Höhe dieses Betrages zustande? Und wie funktioniert damit das Budget einer Solawi?

Der Mechanismus wird anhand eines konkreten Beispiels deutlich: Nehmen wir an die Produktionskosten für eine Saison belaufen sich auf 100.000€. Diese vollkommen transparent kommunizierten Kosten beinhalten die Betriebskosten ebenso wie etwaige Pachtkosten, Investitionen und vor allem die Gehälter oder eben die Kosten des Lebensunterhalts der Produzierenden. Diese fiktiven 100.000€ decken also alles ab was notwendig ist, um für ein Jahr Lebensmittel in der Solawi zu produzieren und zu verteilen.

Nehmen wir weiters an, diese fiktive Solawi kann damit zusätzlich zu den in der Landwirtschaft tätigen 100 Hofteiler*innen versorgen, dann ergibt sich, dass ein Ernteanteil im Jahr 1.000€ einbringen muss oder etwa 83€ pro Monat.

Ökonomisch interessant ist an dieser Stelle, dass durch die direkte Verbindung von Produzierenden und Hofteiler*innen die Handelsmargen von Großhandel und Einzelhandel direkt für die Produktionskosten verwendet werden können, insbesondere für die Gehälter, die gerade in der Landwirtschaft alles andere als üppig sind.

So weit so einfach. Nun sind Budgets vor allem ein Rahmen an dem sich die Solawis orientieren und den sie einzuhalten versuchen, doch in der Praxis kommen natürlich Abweichungen durch unvorhergesehene Ereignisse vor. Wie wird also mit diesen Abweichungen, mit Gewinnen oder Verlusten, umgegangen?

Nun, Verluste werden in die nächste Saison fortgeschrieben und müssen dort entweder durch Einsparungen in der Produktion oder aber durch höhere Beitragswerte für die Hofteiler*innen, oder eine Mischung aus beidem, wettgemacht werden. Das ist ein unangenehmer Prozess, der naturgemäß viele Fragen und ein gutes Maß an idealerweise konstruktiver Kritik und Lerneffekten auslöst, jedenfalls aber müssen diese Verluste in der nächsten Saison wieder ausgeglichen werden, um das Funktionieren der Solawi auf Sicht zu gewährleisten.

Gewinne andererseits verbleiben ebenso bei der Solawi und werden nicht (!) entnommen. Schließlich handelt es sich um die gemeinsam geleisteten Beiträge der Gemeinschaft. Es wird folglich auch gemeinschaftlich entschieden, ob diese Überschüsse für die laufenden Kosten der kommenden Saison und damit für niedrigere Beiträge, für eventuell anstehende Investitionen oder auch Gehaltserhöhungen oder Boni der Produzierenden verwendet werden. Individuell rückerstattet werden sie jedenfalls nicht.

Doch was heißt denn all das eigentlich ökonomisch? Durch dieses Modell übernehmen die Hofteiler*innen das unternehmerische Risiko. Sie übernehmen also eine zentrale Verantwortung eines Unternehmers in der Marktwirtschaft: Gibt es eine Missernte, so ändern sich ihre Beiträge genauso wenig wie in einer Situation von Hülle und Fülle. Die produzierten Lebensmittel sind für die Hofteiler*innen und die Produzierenden selbst, die Bäuerinnen und Bauern. Im Guten wie im Schlechten. Hier gibt es erstmals keinen Preis pro Menge an Produkt mehr, da im vorhinein nicht klar ist wie die Ernte ausfallen wird.

Während jede Hofteiler*in individuell das unternehmerische Risiko für ein Jahr übernimmt, übernimmt die Solawi als Gemeinschaft dieses Risiko strukturell und dauerhaft. Jedes Jahr scheiden einzelne Hofteiler*innen aus, während neue hinzukommen. Das Prinzip und die dahinterstehende Verantwortung bleiben erhalten.

Wir weichen also bereits mit dem einfachen Grundprinzip der Solawis erstmals grundsätzlich von marktwirtschaftlichen Regeln ab und begegnen etwas Gemeinschaftlichem und Neuem.

3. Wer trägt was wie bei?

So weit das grundlegende Konzept. Doch ist die anonyme geldvermittelte Trennung zwischen Produktion und Konsumation erst einmal aufgeweicht beginnen die neuen Wege erst. Und zwar auf eine Art, die die industrielle Landwirtschaft und der Handel im Gegensatz zu anderen Merkmalen wie biologischer Produktion oder Regionalität nicht replizieren und damit auch nicht monetarisieren kann:

In ihren jeweiligen Brotberufen verdienen die Hofteiler*innen höchst unterschiedlich und sind ganz allgemein in weit gefächterten Lebensaltern und -situationen. Warum also sollten alle gleich beitragen? Wieso soll die zum Mindestlohn arbeitende alleinerziehende Mutter zweier Kinder finanziell genauso viel für ihre Lebensmittel beisteuern wie das gutverdienende kinderlose Managerehepaar?

Diesem Umstand tragen wir Rechnung indem es keinen festen „Preis“ für den Ernteanteil gibt, sondern einen Durchschnittswert, den es zu erreichen gilt, um die Produktion zu gewährleisten. Im oben angeführten Beispiel wären das etwa 1.000€ pro Ernteanteil und Jahr. Diese sind also kein individueller Preis mehr, sondern ein Durchschnitt, den die Communitiy, die Gemeinschaft der Hofteiler*innen, gemeinsam aufbringen muss, um die Produktion zu gewährleisten.

Jedes Jahr knapp vor Saisonbeginn, für gewöhnlich im Jänner, gibt es eine Jahresversammlung. Vor dieser Versammlung schätzt sich jede Hofteiler*in selbst ein. Wieviel kann ich finanziell beitragen? Wie viele Ernteanteile brauche ich oder wir als Familie eigentlich? Und gibt auf dieser Basis seinen/ihren Beitragswert für die kommende Saison bekannt. Dieser soll vom errechneten Durchschnittswert abweichen und der eigenen Lebenssituation entsprechen.

Auf diese Weise beginnt die Jahresversammlung mit einer Gesamtsumme von Angeboten, die idealerweise die zur Produktion notwendigen Mittel bereitstellt. Ist das nicht der Fall, ist der Durchschnittswert also zu niedrig, so gibt es Bieterrunden bei denen die Hofteiler*innen Gelegenheit bekommen ihre Gebote zu erhöhen. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt, bis der notwendige Durchschnittswert erreicht ist.

Das mag abenteuerlich klingen, doch es funktioniert. Mehr als zwei Bieterrunden waren bislang noch bei keiner Jahresversammlung notwendig, im Gegenteil etwa die Hälfte aller Jahresversammlungen benötigte gar keine.

Nun ist die Logik Menge pro Preis tief in uns verwurzelt, wir haben sie schließlich von klein auf beigebracht bekommen. Das führt dazu, dass immer noch viele von uns exakt den Durchschnittswert anbieten. So gab es bei einer Solawi im Jahr 2012 etwa 50% der Hofteiler*innen, die exakt den Durchschnitt geboten hatten. 2016 waren es immer noch etwa 33%. bis sich dieser Gedanke etabliert braucht es also Zeit und viel Aufklärungsarbeit.

Der Beitrag der Hofteiler*innen ist aber keineswegs ein rein finanzieller. So verschieden die Lebenssituationen und finanziellen Möglichkeiten sind, so verschieden sind auch die Beiträge, die geleistet werden. Ein Wesensmerkmal der solidarischen Landwirtschaft ist die Grenzen zwischen Produktion und Konsumation wieder ein wenig aufzuheben, in Form von Risikoübernahme aber auch bei der eigentlichen Produktion.

Mitarbeits- oder Aktionstage, bei denen die Hofteiler*innen meist unter Anleitung der professionellen Landwirt*innen mithelfen sind gang und gäbe und bei einem signifikanten Anteil der Hofteiler*innen beliebt, kann man sich so doch auch ganz konkret, haptisch und praktisch den eigenen Lebensmitteln und ihrer Produktion wieder annähern. Auch in Notsituationen rücken die Hofteiler*innen schon einmal kurzfristig bei Wind, Wetter und Kälte aus und retten unter Anleitung der Produzierenden was zu retten ist.

Um den unterschiedlichen Lebenssituationen weiter gerecht zu werden, gibt es bei den meisten Solawis auch Ernteanteile mit Mitarbeit. Hier wird der konkrete Beitrag für einen Ernteanteil eben ausschließlich durch regelmäßige Mitarbeit in der Produktion geleistet.

Die Mitarbeit der Hofteiler*innen beschränkt sich nicht auf die Produktion, gerade im administrativen und kommunikativen Bereich gibt es eine Vielzahl von Tätigkeiten, die ehrenamtlich von Hofteiler*innen übernommen werden: Die Suche nach neuen Mitgliedern, das Betreuen der Finanzen, die Organisation und Betreuung der Abholstandorte für die Lebensmittel, die Gestaltung der Webseite und vieles mehr liegen bei einigen Solawis in der Hand der Hofteiler*innen.

Nichts davon kann oder soll aber darüber hinwegtäuschen, dass die zentrale Rolle in der Solawis, den in der Produktion Tätigen zukommt, je nach Organisationsform und Geschichte also den Landwirt*innen, den im Betrieb angestellten, den produzierenden Mitgliedern.

Und natürlich haben wir auch hier damit zu tun, dass das System Menge pro Preis ganz tief in unseren Köpfen sitzt. Wie viele Stunden trage ich bei? Welchen Stundenlohn ergibt das? Wie vergleicht sich der mit dem Stundenlohn anderer in der Produktion? Diese Fragen begegnen uns immer wieder. Gelegentlich werden sie weitergesponnen: Wieso ist mein Stundenlohn niedriger als der einiger der Hofteiler*innen? Diese Frage erkennt zwar einerseits an, dass die Hofteiler*innen Teil derselben Organisation sind, erzeugt aber doch Reibung und Konfrontation.

Umgekehrt führt große Begeisterung bei Produzierenden auch dazu, dass Menschen sich vollkommen verausgaben und vor lauter Enthusiasmus ins Burn-Out laufen. Und selbst ohne Burn-Out muss selbstkritisch angemerkt werden, dass die mittlere Bleibedauer, der in der Landwirtschaft tätigen in einigen der diesem Text zugrunde liegenden Solawis nur ein paar wenige Jahre beträgt. Langfristig wird die Belastung für viele zu groß.

Neben der Arbeitslast scheint die Organisationsform dabei eine Rolle zu spielen. Bei personenbezogenen Organisationsformen scheint es eine größere Stabilität bei den Produzierenden zu geben, allerdings auf Kosten einer immensen Arbeitslast mit der Gefahr einer Überlastung. Bei egalitäreren Strukturen bildet sich immer wieder „Stammpersonal“ heraus, das bleibt, um das herum es aber recht große Fluktuation bei den weiteren Tätigen gibt.

Wie damit umgehen? Dazu haben wir noch keine zufriedenstellende Lösung gefunden. Einen möglicherweise richtungsweisenden Ansatz, mit dem wir aktuell experimentieren, werden wir allerdings später noch besprechen.

4. Wer bekommt wovon wieviel?

Die Frage des individuellen Beitrages ist aber nur die eine Seite, wie werden denn die entstehenden Lebensmittel und die finanziellen Ressourcen verteilt?

Bei den Lebensmitteln gibt es in unserem Umfeld im Wesentlichen zwei Modelle: Kisten und freie Entnahme. Die Kisten sind so eindeutig wie einfach: In regelmäßigen Intervallen (alle ein bis zwei Wochen) bekommen die Hofteiler*innen vorgepackte Kisten mit Lebensmitteln aus den Solawis. Es gibt leichte Variationen, aber im Wesentlichen bekommt jede/r dieselben Mengen. so weit so einfach und klar.

Deutlich interessanter wird es bei der sogenannten freien Entnahme. Kurz gesagt nimmt sich jede Hofteiler*in was und wieviel sie will. Noch einmal: Was man will und wieviel man will. Das klingt zunächst einmal seltsam. Wie soll das funktionieren?

Erstaunlich gut. Die Idee dahinter ist so bestechend wie einfach: Die eine mag etwas nicht, das der andere liebt. Und umgekehrt. Der eine ist die Woche auf Urlaub oder Dienstreise und braucht gar nichts, die andere hat Gäste und braucht mehr. In der Technik heißt so etwas statistisches Multiplexing und in der Technik wie auch in der freien Entnahme funktioniert dieser Ausgleich ganz ausgezeichnet.

Voraussetzung ist eine ausreichend große Zahl an Hofteiler*innen an einem Abholstandort. Bei zu wenigen wird es problematisch, weil sich die Bedürfnisse und Vorlieben nicht mehr ausgleichen. Als Grenzwert klingen etwa 40 Ernteanteile an einem Standort als plausibler Wert. Bei weniger wird es problematisch, mehr sind natürlich kein Problem.

Zum anderen ist eine gewisse Steuerung durch erfahrene Abholstandbetreuer*innen sinnvoll, wie auch ein Orientierungssystem, um den Hofteiler*innen zu kommunizieren, ob diese Woche etwas besonders wenig oder im Überfluss vorhanden ist.

Entscheidend ist aber, dass dieses System funktioniert. Seit doch schon zehn Jahren.

Was uns zu den Produzierenden bringt. Sie bekommen und essen natürlich ebenso die Lebensmittel, die sie produzieren, doch wie sieht es mit den Finanzen aus? Wie wird geregelt wieviel sie für ihre Arbeit und ihren Lebensunterhalt bekommen? Das ist ähnlich breit gefächert wie bei den Beiträgen der Produzierenden, den Arbeitsstunden.

Vom prekären „nur das Geld zu nehmen das halt grad machbar ist“, bis hin zu Gehaltssystemen, die wie in der Marktwirtschaft versuchen nach Ausbildung und Berufserfahrung Einstufungen vorzunehmen ist alles vertreten.

Ein wesentlicher Grund für die Entstehung von Solawis ist ein akzeptables Einkommen für die hier Tätigen zu schaffen, in einer Branche, die traditionell sehr schlecht bezahlt. Und da ist einiges gelungen: In der am längsten existierenden Solawi sind beispielsweise die Stundenlöhne in den ersten 5 Jahren um 76% gestiegen. Fürstlich ist das Ergebnis noch lange nicht, aber gute Schritte vorwärts, um über Kollektiv- / Tarifvertrag zu bezahlen sind erreicht.

Und doch stehen diese Systeme in Widerspruch zu den Prinzipien der Selbsteinschätzung und der freien Entnahme auf Seite der Hofteiler*innen und haben es nicht geschafft Konflikte über die Verteilung der finanziellen Mittel zu vermeiden. Dies ist schwer aufzulösen, doch auch hier werden wir noch auf einen aktuellen Lösungsversuch zurückkommen.

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