Gemeinsam statt einsam

Bericht von Lukas Lorber über den Oswaldhof (Mitglied der steirischen Solidarischen Landwirtschaftskooperative) und die Sichtweise der Landwirtschaftskammer

Eine solidarische Landwirtschaft verhilft Bauern zu finanzieller Absicherung – die Konsumenten tragen das Risiko mit.

Wiener Zeitung vom 14.09.2021, S.9

Finanzielle Sicherheit für regionale Lebensmittel - bei einer solidarischen Landwirtschaft zählt die Gemeinschaft. - © apa / Barbara Gindl
Finanzielle Sicherheit für regionale Lebensmittel – bei einer solidarischen Landwirtschaft zählt die Gemeinschaft. © apa / Barbara Gindl

von Lukas Lorber

Normalerweise ist Donnerstag der Abholtag am Oswaldhof im steirischen Oberlungitz, Bezirk Hartberg-Fürstenfeld. Doris Juren kommt jedoch immer am Freitag. Die Kindergärtnerin fährt am Wochenende regelmäßig zu ihren Eltern und nimmt daher deren Gemüsebox gleich mit. „Im Kühlraum steht immer das Gemüse bereit und man kann es einfach abholen“, sagt sie. Welches Gemüse in den Gemüsepaketen zu finden ist, hängt von der Jahreszeit ab. Sind es im Sommer eher Gurken, Zucchini oder Tomaten, hat man im Winter vermehrt Kraut oder rote Rüben in den Ernteteilen. Für diese Pakete zahlt die Hartbergerin einen monatlichen Fixbetrag. Juren und ihre Familie bekommen dafür regionale und biologische Lebensmittel. Der Bauer erfährt durch den monatlichen Betrag finanzielle Unabhängigkeit. Dieses Modell des Wirtschaftens nennt sich solidarische Landwirtschaft.

Monatlicher oder jährlicher Fixbetrag für regionale Produkte

Bei einer solidarischen Landwirtschaft (Solawi) handelt es sich um einen Zusammenschluss zwischen Produzenten und Konsumenten. Der Konsument unterstützt mit einem monatlichen oder jährlichen Fixbetrag den Produzenten. Dieser weiß dadurch, wie viel er in einem gewissen Zeitraum verdienen wird, und hat somit Planungssicherheit. Das Besondere dabei ist, dass der Produzent diese finanzielle Unterstützung auch bekommt, wenn er Ernteausfälle hat. Dadurch ist der Bauer nicht abhängig von großen Abnehmern wie Supermärkten und finanziell unabhängig. Das Ziel ist es, als Gemeinschaft die Kosten sowie die Risiken der Lebensmittelproduktion zu tragen.

Für Doris Juren stand anfangs die Qualität der Lebensmittel im Vordergrund. Nachdem sie und ihr Partner ein Kind bekommen haben, war es für sie wichtig, gesund und regional zu essen. Zu Beginn musste sie sich erst an dieses System gewöhnen. „Wenn man in den Supermarkt einkaufen geht, überlegt man sich zuerst, was man kochen will. Wenn man seine Gemüsekiste abholt, überlegt man erst danach“, erklärt die Hartbergerin. Je länger sie als Ernteteilerin dabei war, desto mehr bekam sie vor Augen geführt, wie das System auf die Produzenten wirkt. „Ich habe gemerkt, wie eine Solawi die Bauern entlasten kann. Das Grundeinkommen ist für sie eine Sicherheit“, sagt Juren.

Nur wenig Solawis
in Österreich

Beim Oswaldhof betreibt man solidarische Landwirtschaft schon länger. „Im Jahr 2014 haben wir auf solidarische umgestellt, seit 2015 sind wir im Vollbetrieb“, sagt Andreas Oswald, Betreiber des Oswaldhofs. Zusammen mit seiner Familie und zwei weiteren Mitarbeitern bewirtschaftet er den Hof in Oberlungitz. Die Gründe, warum man auf eine solidarische Landwirtschaft umgestellt hat, waren sehr vielseitig. „Wir wollten das Betriebsrisiko für gewisse Dinge nicht mehr tragen. Außerdem haben wir gehofft, dass sich unsere Einnahmen einpendeln. Wir sind auch nur Menschen und hätten gerne eine faire Bezahlung“, sagt er und fügt hinzu, dass die Gründung risikobehaftet war. „Es gab nur wenige Solawis in Österreich, Erfahrungsberichte gab es nur aus dem Ausland“, erzählt er. Derzeit gibt es in Österreich rund 50 solidarische Landwirtschaften.

Durch die Umstellung auf eine Solawi entwickelte sich ein kalkulierbares Einkommen. Die Last wurde von den Schultern der Oswalds genommen und sie fühlten sich „nicht mehr wirtschaftlich allein gelassen“. Laut Oswald habe man in einer solidarischen Landwirtschaft ebenso die Möglichkeit, vielfältige Lebensmittel anzubauen. „Als klassischer Bauer produziert man das, was nachgefragt wird. Ohne Preisdruck können wir in Vielfalt anbauen“, so Oswald.

Es ist jedoch nicht alles Gold, was glänzt. Das Projekt der solidarischen Landwirtschaft beruht auf den Gemeinschaftsgedanken, der laut Oswald nicht bei jedem Konsumenten gleich groß ist. Viele Ernteteiler holen oft nur das Gemüse ab und haben keine emotionale Verbindung zur Landwirtschaft. Das will Oswald nicht als Kritik sehen, findet es aber schade: „Das Bewusstsein, dass Landwirtschaft und Ernährung wichtig sind, ist nicht groß. Es ist ein Randthema in der Gesellschaft.“ Trotzdem will er nicht mehr in den freien Verkauf zurückkehren. Besonders für kleine Bauern sei dieses System die Zukunft. „Die Beziehung zwischen Produzenten und Konsumenten hat ein riesiges Potenzial“, so Oswald.

Konzept flächendeckend
kaum möglich

Flächendeckend wäre das System der solidarischen Landwirtschaft schwierig umzusetzen, so Karl Bauer, Leiter der Abteilung Agrar- und Regionalpolitik, Bildung und Beratung der Landwirtschaftskammer Österreich. „Die österreichische Landwirtschaft hat viele Facetten und ist geprägt von der Vielfalt“, sagt Bauer. Zum Beispiel können in Österreich nicht überall die gleichen Lebensmittel angebaut werden, die Landschaft ist zu divers.

Solidarische Landwirtschaften können jedoch einen wichtigen Teil in der Vertrauensbildung zu österreichischen Lebensmittel beitragen. „Die solidarische Landwirtschaft ist ein wertvoller Beitrag dafür, dass österreichische Lebensmittel zum Konsumenten kommen. Es wird Vertrauen in die Lebensmittelproduktion geschaffen“, so Bauer.

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