Pandemie „ohne Verschulden von irgendjemandem über uns gekommen“?

von Lorenz Glatz sen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte beim Besuch des italienischen Premierministers Conte, die Pandemie sei „ohne Verschulden von irgendjemanden über uns gekommen“. „Deshalb ist es jetzt unsere Aufgabe, auch in solidarischer Weise die Folgen dieser Pandemie zu überwinden.“ (bundeskanzlerin.de, 13.7.2020)

Was sie über Solidarität sagt, klingt gut. Der erste Satz freilich bleibt anzuzweifeln. Die „Corona“-Pandemie ist weder eine Verschwörung noch ein Naturereignis. Sie ist viel eher, so wie Sars, Ebola und die verschiedenen Arten der auf Menschen übergesprungenen Vogel- und Schweinegrippe, eine Folge von industrieller Landwirtschaft und globalisiertem Agrobusiness (vgl. den Artikel „Covid-19 und Solidarische Landwirtschaft“).

Die WHO und viele ÖkologInnen, Biologen und EpidemiologInnen warnen seit Jahrzehnten davor, dass Massentierhaltung und Plantagenwirtschaft die natürliche Eindämmung der bakteriellen, viralen und sonstigen Krankheitserreger zerstört und das Aufkommen von Pandemien begünstigt und heraufbeschwört (siehe z.B. Robert Wallace, Big Farms Make Big Flu, 2016 oder in The Guardian Pandemics result from destruction of nature, say UN and WHO). Covid-19 ist bloß die erste, die auch uns erreicht hat.

Frau Merkels Worte sind ein Schwenk gegen die nationalstaatliche Engstirnigkeit, die bisher in der EU herrscht.
Aber: An der Misere von Pandemien, Hunger, Klimakrise auf dem Irrweg des ewigen Geld- und Wirtschaftswachstums und der dazu gehörenden Politik dürfte dies kaum etwas ändern. Diese Dinge gehören eher zu dem, was als „Normalität“ gilt, zu der man von den „Folgen der Pandemie“ möglichst bald zurückzukehren hofft.

Wir brauchen eine Lebens- und Wirtschaftsweise,
die ein gutes Leben für alle schafft
statt einer, die dem Profit und der Geldvermehrung nachläuft,
und
eine, in der wir kooperieren, so lokal wie möglich und so global wie nötig
statt einer, in der wir auf allen Ebenen konkurrieren müssen.